Aufblühender „Doppel Wumms“ auf der Bundestagstoilette
Gepanzert mit Mistkäfern, holpern zwei in Anzug gekleidete Primaten auf die Bühne der Berliner Distel; beschnuppern sich, vergleichen ihren Schweif. Nach dem ersten Kontaktversuch tauschen sie Visitenkarten aus, reichen sich die Hände und wollen wieder ihrer Wege gehen. Stopp!
Willkommen im Hinterzimmer der Macht – das Klo
Karl Lauterbach, der am Rand der Bühne verweilt und das Geschehen aus dem Abseits kommentiert, lässt das Ritual der Kontaktaufnahme von den zwei Lobbyisten noch einmal in Zeitlupe abspielen. Der erste Kontaktversuch, der Austausch der Visitenkarten und dann – ganz unscheinbar für den Laien, tauschen die Lobbyisten mit ihren Mistkäfer-Rücken einen Umschlag mit Geld aus. Das sogenannte Schmiergeld, welches dafür sorgt, bestimmte Interessen in Gesetzen zu verankern. Ein weiterer Umschlag sucht an diesem Abend ebenfalls sehnsüchtig seinen neuen Besitzer, nämlich den derzeitigen Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner (FDP) alias Porsche-Supporter.
Willkommen „im Hinterzimmer der Macht“, wo die politischen Akteure sie selbst sein können. Der Ort, an dem die wahre Politik stattfindet – laut dem Autoren-Duo ONKel fISCH, ist es das Klo. Getarnt als stilles Örtchen, ist die Bundestagstoilette, der eigentliche Ort, an dem Absprachen getroffen werden. Oder wie der Alt-Kanzler Helmut Kohl (CDU) es einmal formulierte, „entscheidend ist, was hinten rauskommt.“
Schwindelige Bundestags-Revue als pointierte Groteske
Das Autoren-Duo ONKel fISCH, bestehend aus Adrian Engels und Markus Riedinger (bekannt durch die Hörstücke, „der kleine junge Mann von Nebenan“ oder „Grillstube Saloniki“), hat mit „im Hinterzimmer der Macht“ eine schwindelige Bundestags-Revue geschrieben, die Slapsticks, Sketche, Musik- und Tanzeinlagen zu einem unterhaltsamen Werk vereinen.
Die Revue pointiert politische Ereignisse grotesk, in dem sie Charaktere, wie den Mann mit dem schwarzen Geldkoffer, ehemaliger Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), als wiederkehrenden Senior ohne Erinnerungsvermögen aufführt oder Sätze, wie „billige Kopie von Marie Le Pen aus dem 1 Euro Shop“ (in Bezug zu Alice Schwarzer (AfD)) fallen lässt.
Olaf Scholz‘ hole Phrase des „Doppel-Wumms“
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit seinem Gespür für Rhetorik, dem „Doppel-Wumms“ als Sinnbild für den „deutschen Egoismus“ auf europäischer Ebene und als hole Phrase für die deutsche Bevölkerung, findet in der Revue seinen Platz. Mit viel Elan und (musikalisches) Feingefühl schlüpfen die Schauspieler:innen (Jens Eulenberger, Caroline Lux, Stefan, Martin Müller) in diverse Rollen und verkörpern gekonnt unsere politischen Akteure.
Bedrückende deutsche Korruption lässt Distel-Revue aufblühen
Die Herausforderung, einen Blick durch die Klo-Brille in das Innere des korrupten Deutschen Bundestags, hat der Regisseur Sebastian Wirnitzer mit seinem Ensemble amüsant und treffend auf die Bühne gebracht – eine aufblühend-politische Revue passend zum Frühlingsbeginn.
Weitere Termine: 21.-25. März und 11.-15. April und 21.-29. April, Preise: 18-31 Euro, Karten unter: karten@distel-berlin.de oder über den online Shop