>>Ich will doch nur geliebt werden.

Der anarchistische Experimentierraum der Volksbühne, P14 bringt unter der Regie von Zelal Yesilyurt das Stück >>Lolita will nicht sterben<< mit den Themen, Pädophile und Kindesmissbrauch in unterschiedlichen Perspektiven auf die Bühne.

>>Ich bin nicht Lolita. Ich bin ein echter Mensch.<<, sagt eine von den sechs Lolitas (Charlotte Brandhorst, Lail Braslavsky, Robert Knorr, Lioba Kippe, Emma Meyer, Rachel Scharabi, Selma Schulte-Frohlinde) und pocht damit auf ihre humanitären Rechte als Frau, um nicht nur als hübsches Möbelstück wahrgenommen zu werden. Lolita heißt eigentlich Dolores, ist ein 14-jähriges Mädchen und wohnt bei Ihrer Mutter. Dort lernt sie Humbert Humbert kennen. Ein älterer Herr, der wegen Dolores ein Zimmer bei ihrer Mutter angemietet hat. Er hat gefallen an jungen Mädchen, die gerade in die Pubertät gekommen sind und ihren Körper und das weibliche Gender für sich entdecken. Humbert überhäuft Dolores mit Geschenken, tauft sie aufgrund ihrer roten Lippen Lolita und versucht ständig in ihrer Nähe zu sein. Als Lolita ins Internat geschickt wird, heiratet er ihre Mutter, um Entscheidungsrecht über sie zu bekommen. Es kommt zum Eklat, als Dolores Mutter das Tagebuch von Humbert findet, in dem er seine pädophilen Gefühle und Fantasien gegenüber Dolores äußert. Anschließend bringt er die Mutter um, reist zu Lolita, vergewaltigt das Mädchen und vereinnahmt es für sich. Lolita entwickelt in dieser Zweisamkeit Liebesgefühle gegenüber ihrem Peiniger. Erst nach und nach kann sie sich von ihm lösen und sich an ihm rächen.

Die Regisseurin Zelal Yesilyurt verteilt in ihrer Inszenierung >>Lolita will nicht sterben<< Dolores unterschiedliche Persönlichkeitsanteile auf sechs Schauspielerinnen und schafft es dadurch ein umfassendes psychologisches Bild von sexuellen Kindesmissbrauch aus der Sicht eines betroffenen Mädchens darzustellen.

Ich habe mich sogar deinetwegen rasiert und jetzt juckt meine Muschi, du Arschloch! All der Schmerz. All das Leid. Die überwältigenden Gefühle. Die grenzenlose Liebe, die aus mir quillt; Das alles zeigt mir, dass ich echt bin, Mensch bin, überhaupt da bin! […] Und ich bin zum Schluss gekommen, dass ich nichts mehr von Humbert Humbert wissen will.

Dolores, die für Humbert zu Lolita wird, verfällt aufgrund ihres Traumas ins Stockholm-Syndrom. Weswegen einige ihrer Persönlichkeitsanteile ihren Peiniger als Liebesgefährten anerkennen. Ein weiterer Seelenanteil „schreit immer wieder auf“ und neigt zu Suizidalität. Die Schauspielerinnen verkörpern sehr fesselnd und unterhaltsam die unterschiedlichen Anteile der Protagonistin, Dolores. Sie können aber auch chorisch als einheitlichen Charakter auftreten. Dies ermöglicht ihnen zusätzlich, über das Tagebuch von Humbert die Perspektive ihres Peinigers offenzulegen. Neben der Herausforderung unterschiedliche Perspektiven einer Person treffend und auch einheitlich als vollständigen Charakter auftreten zu lassen, ist der Text von >>Lolita will nicht sterben<<, den die Regisseurin mit ihrem großartigen Ensemble entwickelt hat, auf vielen Ebenen poetisch und tiefsinnig. An einigen Stellen wirkt der Text leicht überspitzt, tut der Inszenierung im Allgemein aber keinen Abbruch, weil in >>Lolita will nicht sterben<< viel mit Licht, Musik und modernen Technologien, wie einer Live-Kamera (Luna Zscharnt) gearbeitet wird. So passen die Dramatisierungen zum Gesamtkonzept des Stücks. Der anarchistische Experimentierraum, P14 beweist mit >>Lolita will nicht sterben<<, dass herausragendes Theater nicht von einem großen Budget abhängt, sondern es letztendlich auf die künstlerische Leistung ankommt.

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>>Lolita will nicht sterben<<, Volksbühne Berlin, Weitere Termine, Karten unter: besucherservice@volksbuehne-berlin.de

 

 

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