Kill your Darlings: Superfrauen beleben Mondtags Rotes Haus

Berlin Der Sommer ist vorbei. Die ersten Blätter sind schon gefallen. Und wie die Berliner Tradition es verlangt, lädt das Maxim Gorki Theater zum Herbstsalon. Auftakt hat Shermin Langhoffs siebter Salon mit Ersan Mondtags postmigrantischer Inszenierung „das Rote Haus“. Ein Ort, der verspricht, alles zu verändern und neuzudenken.

Postmigrantische Frauen als stummes Uhrwerk der Arbeit

Die Uhr steht. Sie lässt den Zeiger immer wieder an der gleichen Stelle aufschlagen, um ihr Herz (das Uhrwerk) in rhythmischen Tönen in den schwach-beleuchteten Theatersaal zu tragen. Dennoch wirkt die geschaffene Szenerie kalt. Und als der Vorhang aufgeht, steht die Frage im Raum, wo befinden wir uns?


„Das Rote Haus“ von Mondtag Foto:Thomas Aurin

Erziehungsanstalt? Hof? Wartesaal? Pflegeeinrichtung? Das Rote Haus auf der Stresemannstraße 30 in Berlin-Kreuzberg hat eine lange Geschichte hinter sich. So scheint es wenig verwunderlich, dass der siebte Berliner Herbstsalon sich dieses postmigrantische Monument als Ausgangspunkt nimmt, um über Frauen aus der Arbeiterklasse zu sprechen. Jene „(…) schöne, gebildete, würdevolle, junge Frauen der ersten Generation von Einwanderinnen (…) die sich mit Arbeit unabhängig machte(n), sich emanzipierte(n) und dabei andere Frauen unterstützte(n).“, wie Langhoff es ausdrückt.

In Ersan Mondtags Inszenierung „das Rote Haus“ treffen wir auf vier dieser Frauen, Canan, Keriman, Saadet, Yüksel. Alle vier sind ihrem Traum von Unabhängigkeit gefolgt. Sie kamen nach Berlin, nahmen eine Anstellung bei dem Elektronikunternehmen Telefunken an und zogen dafür in das firmeneigene Wohnheim, das Rote Haus.

Angekommen in dem Gebäude, warten die nun gealterten Frauen. Nacheinander und im Loop gefangen fragen sie, „Sind Sie meine Enkelin?“. Teilweise schon genervt, schauen die betroffenen, jungen, rauchenden Pflegekräfte (Arbeiterinnen) von ihrem Smartphone auf. Sie wollten eine Auszeit auf dem Hof nehmen. Widerwillig gehen sie auf die suchende, gealterte Frau zu, nehmen sie an die Hand. Eine Symbiose entsteht.


Superfrauen werden zu biografischen Blitzlichtern des Roten Hauses

Es beginnt eine biografische Rückblende in schwarz-weißen Pop-Art. Ein Cartoon, der sich mit den Schattenbildern von gealterten Ich und Alter Ego erweitert. Die Frauen, Canan, Keriman, Saadet und Yüksel werden in ihrer Blende wie Superheldinnen vorgestellt; so bekommt Yüksel den Beinamen, die Resolute.

Ihre Geschichten wirken wie historische Blitzlichter des Roten Hauses, weil sie kurze biografischen Sequenzen sind; die zu dicht, zu komplex und zu schnell abgehandelt werden. Letztendlich bleibt nichts von den Geschichten der Frauen im Gedächtnis haften.


„Kill Your Darlings!“ für glänzende Superfrauen

Die biografischen Sequenzen haben eine Zeitverschiebung herbeigeführt, sodass das junge Alter Ego in einem Mehrbettzimmer aufwacht. Es sind die 60er. Eine Zeit, in der die Frauen bei Telefunken angestellt waren. Im Wechselspiel und durch die Zeit reisend, erscheinen Alter Ego und gealtertes Ich; dabei nimmt das gealterte Ich in erster Linie eine kommentierende Rolle ein. Wirklich mehr erfahren wir von den Superfrauen nicht. Die Geschichte des Hauses rückt in den Vordergrund.

Ersan Mondtag und sein Inszenierungsteam hätten sich einen Gefallen getan, wenn sie die Worte und die Geschichten der Frauen in den Fokus gestellt hätten. Wie René Pollesch es einst sagte, Kill Your Darlings!“; weniger ist oft mehr.

ЯE:IMAGINE – The Red House ist bis zum 30. November 2025 zu erleben

Das Rote Haus auf der Stresemannstraße 30 bildet den Rahmen des siebten Herbstsalons und lädt mit unterschiedlichen Arbeiten zur Reflexion der Gegenwart ein, „um das Heute zu begreifen, (müssen wir) das Gestern kennen. Anders bekommen wir exakt das Morgen, das wir nicht brauchen können.“, schreibt Langhoff zu Яe:imagine. Ihre Worte sind ein guter Wegweiser für Deutschlands politische Misere, die droht in einer bereits erlebten Katastrophe zu enden. – Der Herbstsalon 2025 ist noch bis zum 30. November geöffnet.

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen