Bettgeschichten auf Metaebene

Theatertalent René Pollesch eröffnet mit seinem Pop-Theater-Diskurs >>CRY BABY<< die Spielzeit 2018/ 2019 am Deutschen Theater Berlin und verführt dabei seine Zuschauer ins Schlafgemach.

>>Die Frage aller Fragen, warum fickt sie mich nicht?<< erkunden die Schauspielerinnen Sophie Rois, Christine Groß und Judith Hofmann mit ihrem zwölfer Frauenchor im Schlafgemach auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin, welches extra für den müden Prinzen von Homburg, beziehungsweise für die müde Schauspielerin Rois, gebettet wurde. Bernd Moss, der wie das restliche Ensemble in Pyjama, Morgenmantel oder Schlafgewand gekleidet ist, sitzt schlaftrunken auf dem Balkonplatz und kritisiert die Show, wie das Filmkritiker-Paar Statler und Waldorf aus der Muppet-Show. Besonders empörend findet er, dass Schauspielerinnen für ihr Liebhabertheater Geld zahlen müssen. Moss möchte nur Schauspielerinnen sehen, die hier etwas verdienen, ansonsten ist ihre Leidenschaft nicht echt. Rois hat für ihren Auftritt an ihrem Liebhabertheater 20 000 Franc bezahlt, aber dafür bekommt das Publikum auch keine Protestantischhumorloseselbstzerfleischung zu sehen, sondern sie sagt ganz klar: >>Wir können auch nichts, aber wir haben auch nicht 12 Wochen lang geprobt.<<, um anderen Theatermachern mal eine Maxime ans Herz zu legen.

   

Sehen Sie diesen Schein in meiner Hand? Sie sehen den inneren Wert des Geldscheins. Sie sehen nicht das Papier.

(Sophie Rois, >>CRY BABY<< von René Pollesch)

 

Autor und Regisseur René Pollesch feiert seinen Einstand am Deutsche Theater Berlin mit einem umfassenden Schlagabtausch aus diversen Themen, wie beispielsweise Theaterinstitution, Engagement und das >>Gespenst der Freiheit<< von Luis Buñuel. Er bringt diese Themen auf eine diskursive Metaebene und verbindet sie  unter anderem mit dem Kleist-Klassiker, Prinz Friedrich von Homburg, um dem theatralen Bühnenraum vom Deutschen Theater gerecht zu werden.

[caption id="attachment_1955" align="aligncenter" width="800"] >>CRY BABY<<, Sophie Rois, Bernd Moss, Foto: Arno Declair.[/caption]

Während des Schlagabtauschs finden immer wieder Zeitsprünge statt, die sich auch in der Sprache und Kostüm (Fabea Braun) bemerkbar machen. Beeindruckend an >>CRY BABY<< ist unter anderem der zwölfer Frauenchor von den Studentinnen aus dem zweiten Studienjahr der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, welcher als einheitlicher Körper auftritt – es sei denn, jemand beweist seine Teamfähigkeit und geht ab –. Der Frauenchor ist in seiner Ausdrucksweise synchron, positioniert und pointiert sich in Momenten, wie im rebellischen Engagement von Udo Lindenberg. Der Musiker zeigt sich in einer Arte-Dokumentation als Rebell und erzählt entsetzt, dass er seine Single >>Sonderzug nach Pankow<< bei einem Auftritt nicht singen durfte. Er erkennt aber nicht, dass er trotz des Verbots aufgetreten ist.

>>CRY BABY<< ist ein lustiger und angenehmer Theaterabend mit grandiosen Text und beeindruckender Schauspielkunst. So einzigartig,  wie es schon lange nicht mehr in Berlin zu erleben war. Glücklicherweise hat René Pollesch am Deutschen Theater wieder ein (zu) Haus(e) gefunden.

>>CRY BABY<<, Deutsches Theater Berlin, Weitere Vorstellungen: 13. und 21. September und 5., 11., 17. und 25. Oktober 2018. Karten unter: 030. 28 441 – 225 oder service@deutschestheater.de

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