VULVA BEI DER GEGENÜBERSTELLUNG
Das Kollektiv Frauen und Fiktion bringt mit >>LUST/ sexuelle Biografien und unerhörte Phantasien von Frauen<< (UA 16. März 2017/ Theaterdiscounter) einen Diskurs über die Sexualität der Frau performativ auf die Bühne.
Obwohl die Bühne aus der minimalistischen Ausstattung eines Blocks besteht, der immer wieder neue Settings konstruiert, nähern sich Frauen und Fiktion mit unterschiedlichen Ausdrucksebenen, wie über choreografische Elemente, persönlichen Erzählungen aus dem Schauspiel- oder Tanzunterricht und über die Interaktion mit dem Publikum dem Thema der weiblichen Lust. Im Zentrum der Performance >>LUST<< steht der foucaultsche Diskurs, der mit der nackten Vulva als obzönen Witz beginnt, somit versucht – laut Sigmund Freud – das sexuelle Begehren als verdrängtes Phänomen des Individuums offenzulegen und über den Lustgewinn des Witzes eine Lockerung zur Annäherung an das Thema zu erzielen. Die nackte Vulva als öbzönen Witz wird in der griechischen Mythologie von Baubo, der Göttin der Lust und Begleiterin der Demeter, beschrieben. Sie versucht die trauernde Demeter aufzumuntern, in dem sie ihr ihre rasierte Vulva zeigt. Über den Austausch von weiblichen Sexfantasien, der Darstellung der Sexualität in performativen Räumen, wie wird Sex im Film realitätsnah dargestellt, versucht das Kollektiv Frauen und Fiktion Theorie und Performativität zu vereinen, um eine offene Ebene für das Wissen über weibliche Sexualität zu schaffen. Der weibliche Sex ist immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Die Frau hat als Lustobjekt und Sexsymbol des Mannes noch nicht ausgedient und wird somit weiterhin vom Mann über Sexualität ausgebeutet und erniedrigt. Das Überschreiten von Schamgrenzen, in dem die Frau lernt über ihren Sex zu sprechen, bricht nicht nur Tabus, sondern schafft Wissen, welches ihr Macht gibt. Der weibliche Körper wird so nicht über die Abgrenzung zum Mann erfahren, sondern bekommt seine eigene Stellung in der Gesellschaft als Mensch.
LUST/ Patricia C. Mai und Eva Keller. Foto: Paula Reissig.Die Sexualität ist Teil unseres Verhaltens. Sie ist Teil unserer Freiheit. Die Sexualität ist etwas, was wir selbst erschaffen […] Die Möglichkeit unserer Körper als eine potenzielle Quelle einer Vielzahl von Lüsten zu gebrauchen ist etwas sehr wichtiges. Wenn wir zur Frage der Identität Stellung beziehen müssen, so muss dies sein, indem wir einmalige Wesen sind. (Michel Foucault)
Die Performance >>LUST<< verspricht viel, in dem sie versucht einen foucaultschen Diskurs über die weibliche Lust auf die Bühne zu bringen, der emanzipatorische Phänomene mit sich bringt. Was dem Kollektiv auf jeden Fall gelingt, ist das Brechen von Schamgrenzen über das gemeinsame Stöhnen ins Mikrophon, das Teilen der weiblichen Lust, das Offenlegen von Fragen und das Herstellen von Wissen über den Diskurs, der über die Gegenüberstellung der nackten Vulva für eine Erkenntnis des weiblichen Sexes sorgen soll. Der Diskurs in >>LUST<< beschäftigt sich mit der weiblichen Lust, versucht gezielt über weibliche Sexfantasien ein unerhörtes Wissen performativ zu erzeugen, um Strukturen der Macht aufzubauen, die der Frau in der männerdominierenden Gesellschaft eine Stellung als Mensch ermöglichen. Aber können feministische Pornos und das Teilen von sexuellen Fantasien sagen, wer oder was die Frau ist? Enttäuschend ist, dass die Performance >>LUST<< nicht über den Alltags-Diskurs der Weiblichkeit hinausgeht und fragt, wieso der Mensch sich nur über sein Sex definieren lässt und er über sein Geschlecht zur Identität kommt. Weiterhin wirkten viele performative Akte von >>LUST<< einfallslos, heteronormativ; waren weniger ansprechend, was dem weiblichen Diskurs zwar nicht geschadet hat, aber die künstlerische Leistung der Performance beeinträchtigte.
>>LUST/ sexuelle Biografien und unerhörte Phantasien von Frauen<<| Theaterdiscounter Berlin| 16.3. – 18.3.2017| Jeweils um 20.00 Uhr| Weitere möglichen Spieltermine: http://www.frauenundfiktion.de/
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