IM- und EXPORT MIT DER WARE MENSCH

Regisseur Kay Voges und Autorin Anne-Kathrin Schulz begeben sich gemeinsam mit dem Recherchekollektiv CORRECTIV in der Inszenierung >>DIE SCHWARZE FLOTTE<<, diesmal in der Heinrich Böll Stiftung Berlin*, auf die Suche nach dem Schmuggelnetzwerk im Mittelmeer, welches Menschen, Waffen und Drogen im- und exportiert.

Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Zentrale Fluchtursachen sind starke Klimaveränderungen, die das Land unbewohnbar machen oder Krieg. In vielen Kriegen, wie beispielsweise im syrischen Bürgerkrieg werden Genozide verübt. Knapp 465 000 Menschen sind im syrischen Bürgerkrieg getötet worden, laut Syrian Observatory for Human Rights (SOHR). 321 000 Tote wurden bereits dokumentiert. Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, welcher sich in seinem Buch >>Netzwerk des Todes<< mit der Waffenindustrie und mit Geflüchteten auseinandersetzt, beschreibt das knapp 60% des Rüstungsexports illegal ist und unter anderem Deutschland mit seinen G3-Sturmgewehr auf Platz 2 der weltweit-verbreiteten Kleinwaffen steht. Bei 20 Kriegstoten wurden vermutlich 19 mit Kleinwaffen getötet. Führender Hersteller von Kleinwaffen in Europa ist der Deutsche Hersteller Heckler&Koch. >>Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten<<, ist ein Spruch, welcher das Recherchekollektiv CORRECTIV sich genauer angeschaut hat. CORRECTIV hat sich gefragt, wie sich das Schmugglernetzwerk auf dem Mittelmeer zusammensetzt. Es sind immer wieder große Frachter, die normalerweise für Kisten und Paletten gebaut sind. Wie kommen die Geflüchteten auf so ein großes Schiff? Wem gehören die Schiffe, die Im- und Export mit Drogen, Waffen und Menschen betreiben? Und wer verdient an diesem Geschäft?

Zusammen mit dem Schauspiel Dortmund hat CORRECTIV eine Inszenierung geschaffen, die dem Begriff des Dokumentartheaters sehr nahe kommt. Die hauseigene Dramaturgin Anne-Kathrin Schulz hat aus der CORRECTIV-Recherche, die hauptsächlich aus Fakten besteht, ein narratives Stück geschrieben. In dem Stück >>DIE SCHWARZE FLOTTE<< (UA 23. September 2016, Schauspiel Dortmund) geht ein Journalist auf die Suche nach den Inhabern der Frachter, die Menschen, Drogen und Waffeln über das Mittelmeer nach Europa und umgekehrt schmuggeln. Der Journalist (Andreas Beck) beschreibt seinen Rechercheweg. Angefangen hat es mit den Bildern vom 1.1.2015 als der Frachter EZADEEN an der italienischen Künste angekommen ist. Knapp 360 Menschen wurden mit einer 50-zig Jahre alten Rostlaube über das Mittelmeer nach Europa manövriert. Jeder der 360 Menschen hat bis zu 6 000 Euro in Bar an die Schleuser und nochmals 85 Euro in Bar an die Schiffsbesatzung gezahlt. Insgesamt haben die Schlepper bei dieser Tour 2 Millionen Euro verdient. Meistens nutzen die Schlepper für den Export von Menschen Wegwerf-Schiffe, wie die im Jahre 1966 gebaute EZADEEN. Im Gegensatz zu Waffen oder zu Drogen muss die Ware Mensch nicht ankommen. Die Menschen sind ja nicht bestellt und haben per Vorkasse bezahlt. Aber wen gehören die Schiffe? Gemeinsam mit seinen Rechercheuren möchte der wahrheitssuchende Journalist die Frachter und die Hintermänner ausfindig machen. Dabei stoßen sie immer wieder auf die Briefkastenfirma IMS Hellenic, welche auf den Marschall-Inseln mit der Adresse: die Straße Filellinon 9, 18536 Piräus unter dem Strohmann Samir Moussa registriert ist. Auch der auffällige Frachter Ahmad Prince wird von der Reederei IMS Hellenic betrieben, so steht es zumindest in der Schiffsdatenbank. Der Frachter gehört zum >>Odessa-Netzwerk<<. Das >>Odessa-Netzwerk<< beschreibt den Waffenschmuggel im Schwarzen Meer, Mittelmeer und den Zusammenschluss von Reedereien aus Russland, der Ukraine und Syrien. Die Ahmad Prince, reist vom russischen Schwarzmeerhafen Novorossiysk zu der syrischen Hafenstadt Tartus und rüstet das Land mit Waffen auf. Die Stadt Tartus ist eine Hochburg des Assad Regime, hier fußt die Macht der Assads. Immer wieder führen die Spuren nach Tartus, auch die Fahrt der EZADEEN wurde vom dortigen Schmuggelnetzwerk organisiert. Es gibt viele Verbindungen der Schmuggler zum Assad-Regime, aber keine direkten Belege. Die Verbundenheit der Schleuser zum Regime lassen sich unter anderen durch ihre ständige Präsenz in der Hafenstadt und über facebook erkennen. Über das soziale Netzwerk erklären einige ihre Unterstützung zum Regime. Sicher ist, dass IMS Hellenic und weitere Briefkastenfirmen Waffen aus Europa importieren und Menschen aus Syrien nach Europa exportieren. Eine Frage, die bislang offen bleibt: Ist Assad der Marionettenspieler? Leitet er neben seiner Funktion als syrischer Staatspräsident und Mörder, auch noch ein Import- und Exportunternehmen?

Der Schauspieler Andreas Beck verkörpert unter der Regie von Kay Voges mit Ernst und zugleich mit viel Witz seine Suche nach der Wahrheit. Viele Fakten vergegenwärtigt er mittels beschriebener Tafeln, Globen oder Karten. Er schafft es die volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die auch nach knapp zwei Stunden nicht verschwindet. Dies liegt zum einen an Beck selbst, der bei seinen Erzählungen und der Vermittlung von Daten äußerst lebendig wirkt und zum anderen an den gelungenen Unterbrechungen aus Musik oder Video, die seine Erzählungen untermalen oder in die passende Atmosphäre setzen.

Andreas Beck
>>DIE SCHWARZE FLOTTE<< Andreas Beck, Foto: Birgit Hupfeld.

An diesem Abend reichen sich Journalismus und Schauspiel die Hand, wie es bereits die Arbeiten der Regisseurin Angela Richter mit ihren Recherchen zu Hackern wegbereitend getan haben, und schaffen ein mediales Dokumentartheater mit großen Informationsgehalt zur gegenwärtigen Politik. Kay Voges kreiert mit seinem Ensemble und dem Recherchekollektiv CORRECTIV, eine spannende, aufklärende und sehr unterhaltende Inszenierung, die  beeindruckend und ein ganzes Stück politisches Theater ist.

>>DIE SCHWARZE FLOTTE<<| Schauspiel Dortmund| zu Gast am Berliner Ensemble: 27.10. und 28.10.2017 jeweils um 20 Uhr. Karten unter: 030 284 08 155 und theaterkasse@berliner-ensemble.de . Weitere Termine unter: https://www.theaterdo.de/detail/event/1291/?not=1

*) Im Rahmen der Tagung Moralische Anstalt 2.0

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