Vater Staat im Homeoffice

Regisseur András Dömötör bringt das vorrevolutionäre Russland aus Maxim Gorkis Drama >>Die Letzten<< auf eine Guckkastenbühne und lässt den autoritären Vater Staat im Eigenheim regieren.

Horrorschauplatz: die Kinderstube der Familie Kolomizew. In der spartanisch eingerichteten Stube leben fünf pyjamatragende Kinder (Till Wonka, Mareike Beykirch, Lea Draeger, Aram Tafreshian, Vidina Popov) mit (blau) gefärbten Haaren, Schminke im Gesicht und (linkspolitischen) Symbolen auf ihren Pyjamas. Ihr Stil  erinnert an Punks. Sie alle unterliegen dem patriachalen System des Vaters und jeder muss sich dem Willen des Vaters beugen, sei es Inzest, Zwangsehe oder als Spielball seiner Aggressionen. Der Vater, Iwan Kolomizew (Dimitrij Schaad) ist ein zarischer Polizeichef, der wegen seiner Brutalität gegenüber Gefangenen vom Dienst suspendiert wurde und nun mit seinen Kindern und seiner Frau bei seinem kranken und vermögenden Bruder Jakow wohnt. Seine Frau Sofia tritt nur über die kostümierten Kinder in Erscheinung, verfügt über keine eigenständige Person und untersteht ihrem Mann. Sie passt sich, wie ihre Kinder dem autoritären Regime an. Die 20-jährige Ljubow (auf deutsch, Hoffnung) (Lea Draeger), deren wahrer Vater Jakow ist, durchschaut als einzige die patriarchalen Strukturen und versucht sich trotz ihrer Behinderung dem Vater zu widersetzen. Aber auch ihre jüngeren Geschwister, Pjotr (Aram Tafreshian) und Wera (Vidina Popov) versuchen sich prärevolutionär zu verhalten, doch leider scheitern sie und verfallen, wie die anderen aus der Familie, dem gesellschaftlichen Klima der Korruption und der Autorität.

Dömötörs Spielfassung >>Die Letzten<<, die er am 15. Juni 2018 am Berliner Maxim Gorki Theater zur Aufführung bringt, orientiert sich sehr stark am Drama von Maxim Gorki, unterscheidet sich aber in der Kritik an den autoritären Strukturen insoweit, dass er neben dem autoritären Staat auch die patriarchale Familienstruktur kritisiert. In der Inszenierung >>Die Letzten<< trifft die autoritäre staatliche Gewalt auf das vermeidlich behütete Zuhause der Familie Kolomizew, in dem noch Märchen, Plüschtiere und weitere Spielsachen existieren. Die pädagogischen Werkzeuge dienen eigentlich der geistigen Entwicklung und Emanzipation, hier verwendet der Regisseur Dömötörs die Werkzeuge, um autoritäre Strukturen zu festigen, Unterdrückung und Unterwerfung sichtbar zu machen.

[caption id="attachment_2026" align="alignleft" width="572"] >>Die Letzten<<, Till Wonka, Mareike Beykirch, Lea Draeger Foto: Ute Langkafel.[/caption]

Die häufigen Rollenwechsel der Schauspieler*innen vom ausgehenden Spielcharakter zur Mutter oder Kinderfrau, sind nicht nur eine gelungene Leistung des Ensembles, sondern untermalen auch die patriarchalen Strukturen des familiären Systems. Gewalttätige Szenen verpackt der Regisseur Dömötör meistens in Plüsch. Dömötör stellt mit seinem Ensemble die Strukturen von Familie und Staat generell in Frage und formuliert mit seiner Spielfassung einen Appell an die Anarchie. Sein Team trifft damit genau den heutigen Zeitgeist.

 

>>Die Letzten<<, Maxim Gorki Theater Berlin, Weitere Vorstellungen: https://gorki.de/de/die-letzten-0 , Karten unter: ticket@gorki.de und 030 20221-115

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