SWEET FITHTEEN

15! – Endlich aus dem Gröbsten raus, in der Blüte der Jahre und immer noch weit weg vom Ernst des Lebens. Am 9.9.1999 feierte das Forum Freies Theater (FFT) in Düsseldorf seine Eröffnungspremiere und seitdem ist es ein zentraler Ort des Austausch für Künstler*innen und Publikum, der nicht weg zu denken ist. Anlässlich dieses Jubiläums führte die Terz ein aufschlussreiches Interview mit der Intendantin Kathrin Tiedemann über das FFT und der anstehenden Geburtstagsparty am 9.9.2014 ab 15 Uhr FFT Kammerspiele. Alle sind natürlich herzlich eingeladen!

1. Was war der ausschlaggebende Impuls für die Gründung des FFT?

Es ging darum, auch für Düsseldorf ein Zentrum für frei produzierte darstellende Kunst zu schaffen, eine Anlaufstelle für die professionell arbeitenden Theatergruppen in der Stadt und in der Region aber auch als Partner für überregionale und internationale Kooperationen, die kennzeichnend für die Arbeit außerhalb der großen Theaterinstitutionen sind. Und man wollte einen Treffpunkt für das theaterinteressierte Publikum schaffen. Nicht zuletzt ging es der Stadt Düsseldorf auch darum, vorhandene Spielstätten in eine zeitgemäßere Nutzung zu überführen und den Künstlern in der Stadt, der wachsenden Bedeutung des freien Theaters entsprechend, eine professionelle Infrastruktur zu bieten.

2. Inwiefern unterscheidet sich das FFT vom gewöhnlichen Stadttheater?

Im Grunde lassen sich die Strukturen schlecht vergleichen, weil die Arbeitsweisen sehr unterschiedlich sind. Das FFT arbeitet mit einem kleinen Team von 10 Leuten mit einem großen Netz unterschiedlichster Künstler und Gruppen zusammen und versteht sich als Labor für neue Theaterformen. Wir greifen die Ideen der Künstler auf und realisieren mit ihnen gemeinsam Projekte, die sich mehr oder weniger explizit mit dem gesellschaftlichen Wandel unserer Zeit und neuen Kommunikationsformen beschäftigen. Die Inhalte werden von den Künstlern überwiegend selbst recherchiert und dann in entsprechende performative Formate überführt, die häufig die Zuschauer miteinbeziehen. Die Übergänge zur bildenden Kunst und zur Musik, zu neuen Medien aber auch zu Fragen von Stadtentwicklung und Konstruktion von Öffentlichkeit sind fließend. Außerdem bieten wir vor allem jungen Künstlern ein Forum, um ihre Arbeitsansätze zu entwickeln und zu präsentieren. Wir kooperieren mit Schulen, Hochschulen und Universitäten und diversen Gruppen in der Stadt und beziehen diese in unsere inhaltliche Arbeit aktiv mit ein. Ein Stadttheater ist dagegen ein Betrieb mit mehreren hundert Mitarbeitern, künstlerischem und nichtkünstlerischem Personal, eigenen Werkstätten, und produziert in der Regel Schauspiel für einen Repertoirebetrieb. Die großen Häuser öffnen sich aber auch immer mehr neuen Arbeitsweisen, so dass die Grenzen zwischen den Strukturen langsam aufweichen. Das FFT ist als Verein organisiert, während Stadttheater im Allgemeinen als kommunale Einrichtungen geführt werden.

3. Am 9.9.1999 fand die Eröffnungspremiere des FFT statt; weißt Du noch welcher Künstler das FFT eingeweiht hat?

1999 eröffnete der damalige künstlerische Leiter Niels Ewerbeck das FFT mit der Premiere von Christoph Coburgers „La Musica 2“ in den Kammerspielen.

Wir haben 2004 meine erste Spielzeit mit „Public Playgrounds“ eröffnet, u.a. mit dem Living Theatre aus New York und mit der VolxTheaterKarawane aus Wien. Es ging um Kunst und Aktivismus und um die Frage, wem der öffentliche Raum in der Stadt gehört, dazu gab es verschiedene Workshops und Auftragsarbeiten. Außerdem hat Lukas Matthaei sämtliche Etagen des Anbaus im Wilhelm-Marx-Haus in der Jahnstraße bespielt, wo das FFT Juta seinen Sitz hat. Da waren an die 100 Darsteller beteiligt, die alle eine Verbindung zu dem Ort hatten, sei es als Amateurtheater-Spieler oder als Mitarbeiter der Arbeiterwohlfahrt, die freiwillige Feuerwehr und ein polnischer Chor waren auch dabei. Die Zuschauer konnten auf einem Parcours durch das gesamte Haus wandern und Geschichten hören, abschließend gab es ein großes Essen im Theatersaal – das war ein großartiger Auftakt!

4. Rückblickend auf die 15 Jahre Spielzeit: Hat sich euer Wunsch nach einem Treffpunkt für Künstler und Publikum erfüllt?

Oder gibt es etwas, was Du vermisst?

Vieles von dem, was wir uns vorgenommen haben, hat sich erfüllt. Ich kann ja nur für die zurückliegenden 10 Jahre sprechen. Aber wenn ich allein an die internationalen Koproduktions-Reihen denke, in diesem Jahr unter dem Motto „Decolonize!“, mit denen wir jedes Jahr eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen, dann ist es gelungen, zwischen Künstlern wie Gintersdorfer/Klaßen, Claudia Bosse, andcompany&Co., She She Pop, Helena Waldmann, Anna Malunat, PME-Art und anderen und dem Düsseldorfer Publikum einen kontinuierlichen Dialog und ein Interesse für zeitgenössische darstellende Kunst zu etablieren. Ganz zu schweigen von Ingo Toben, Gudrun Lange, half past selber schuld, die regelmäßig am FFT produzieren. Wir sind dabei immer auch offen für neue Akteure. kainkollektiv, Billinger & Schulz, LUKAS UND oder Subbotnik sind jüngere Kollektive, die erst seit kurzem mit uns zusammenarbeiten. Das Ganze ist immer in Bewegung und das ist gut so. Die Resonanz bei den Zuschauern ist sehr positiv und hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert, so dass wir im vergangenen Jahr mit 23.000 Zuschauern die bisher erfolgreichste Spielzeit in der Geschichte des FFT hatten. Wir würden gerne mehr Residenzen wie zuletzt mit machina eX ermöglichen, die über zwei Jahre kontinuierlich mit uns gearbeitet haben. Eine solche Art der engen Kooperation, von der wichtige Impulse auch für die Stadt ausgehen können, würden wir gerne häufiger initiieren. Aber dazu fehlen uns die Mittel.

5. Was erwartet mich als Besucher bei der „Sweet Fifteen“-Geburtstagsfeier am 9.9.2014? Worauf darf ich mich als Gast freuen?

Auf einen Abend voller Überraschungen! Wir starten mit einem kleinen Symposium zu Fragen nach zukünftigen Arbeitsweisen des Theaters, wir haben Künstler eingeladen, sich mit Tischreden zu beteiligen, in denen sie über Dinge sprechen werden, die ihnen in Bezug auf ihre Arbeit unter den Nägeln brennen. Für das 15-stündige Tages- und Nachtprogramm unter dem Motto „Sweet Fifteen“ haben die Düsseldorfer Künstlergruppe LUKAS UND und Sahar Rahimi von Monster Truck ein besonderes Szenario entwickelt, das an den lateinamerikanischen Brauch der Quinceañera angelehnt ist. Bei diesem Fest wird der Übergang der Fünfzehnjährigen vom Kind zur Frau zelebriert.

6. Und noch ein kleiner Ausblick: Was habt ihr euch für die nächsten 15 Jahre vorgenommen? Oder was erhoffst Du Dir für das Theater einer zukünftigen Gesellschaft?

Langfristige Pläne sind im Bereich des freien Theaters nahezu unmöglich, da über Förderzusagen von Jahr zu Jahr entschieden wird. Ich halte mich da eher an das Prinzip: Steter Tropfen höhlt den Stein. Ein konkretes Vorhaben besteht darin, der Generation der 20- bis 30-Jährigen verstärkt die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen zu realisieren, und weiterhin ein junges Publikum für Theater zu begeistern. Die werden ja die zukünftige Gesellschaft bestimmen. Mehr generationsübergreifende Perspektiven sind also gefragt, ebenso wie Arbeitsweisen, die die digitale Revolution berücksichtigen, die neue Perspektiven auf die eigene Umwelt ermöglichen sowie eine weitere Dekolonisation des eigenen Denkens.

Vielen Dank für das freundliche Gespräch und ich wünsche euch zum Jubelfeste nur das Beste!

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