SUIZID IST TRUMPF

SALOME<<, Ensemble, Foto: Brigit Hupfeld.

Rauchend lauscht das blauliebende Mädchen (Benny Claessens) mit kreideweißen Gesicht und stark topierten Haaren der Stimme der blauen Wüste, den fundamentalistischen Worten des Johannes. Johannes der Täufer ist Gefangener des Herrschers Herodes (Lea Draeger) und seine düsteren Prophezeiungen vor der Burg >>LOST<<, imponieren dem hübschen Mädchen Salome, das gerade von dem Burgfest des Tetrarchen geflohen ist, um den gierigen Blicken ihres Vaters Herodes zu entkommen. Sie ist angewidert von seinen Maulwurfsaugen und möchte am liebsten nach Tel Aviv reisen.

Nun steht sie aber rauchend vor der Burg, inmitten der blauen Wüste von Palästina, kurz vor Erfindung des Christentums und gleichzeitig mitten in der Gegenwart und hört die radikalen Worte des Johannes. Seine flüsternden Worte über den Untergang und seine Stimme –personifiziert in einem Fünfer-Chor (Mehmet Ateşçi, Karim Daoud, Jonas Grunder-Culemann, Anna Mattes, Aram Tafreshian), gefallen Salome so sehr, dass sie sich in ihnen verliebt und diese in sie übergehen. Kalt und selbstzerstörerisch sagt Salome in Ersan Mondtags Inszenierung, „Ich werden für euch Tanzen, Tetrarch.“ Und bringt damit die Prophezeiung von Johannes in Bewegung.

SALOME<< Orit Nahmias, Foto: Birgit Hupfeld.

Gewaltige und ausdrucksstarke Bilder sind ein Markenzeichen von dem Künstler Ersan Mondtag und ein mitreißender Bestandteil seiner neuen Gorki-Inszenierung >>SALOME<< (UA 2. Dezember 2018), nach Oscar Wilde in der Neufassung von Thomaspeter Goergen. Mondtags Bühne ist eine in Wellen getauchte Burg, namens >>LOST<<, die umgeben ist von Steinen und Nebel, sowie von dem Chor der Wahrsagern in dunklen Samt-Umhängen. Das Innenleben von Herodes Burg ähnelt einer Säulenhalle, in welcher Mitte eine überdimensional-liebreizende Nacktskulptur von Salome steht. Über diese Skulptur wird Herodes Besessenheit zu Salome besonders deutlich. Die königlich gekleideten Charakteren haben in diesem Stück Punkfrisuren (Kostüm, Josa Marx) und wirken dadurch außergewöhnlich modern.

Das bildhafte Setting in Mondtags Inszenierung zieht das Publikum in das selbstzerstörerische Schicksal der Salome. Wo Bilderfluten drohen Text und Schauspiel unverständlich werden zu lassen, tritt Schauspielerin Orit Nahmias als jüdische Hofnärrin auf und ergreift das Wort. Nahmias resümiert mit viel Humor und Zynismus das Gesehene auf der Bühne und katapultiert das Geschehen in Form von Unterbrechungen in die Gegenwart. Hierbei kritisiert sie unter anderem unsere neoliberale Gesellschaft, die neben Ausbeutung, Krieg und Dekadenz, nicht mehr viel kennt. Sie erklärt auch, „Benny verkörpert die Prinzessin, weil wir mit Genderfragen spielen“

In Mondtags Inszenierung >>SALOME<< können sich die Schauspieler*innen mit viel Gespür fürs Zusammenspiel verausgaben –was etwas das temperamentvolle Auftreten von Schauspieler Benny Claessen bremst– und schaffen dadurch ein unterhaltsames und erlebnisreiches Schauspiel. Auch wenn das Ende der Inszenierung –lieber hätte ich es nur mit dem Suizid von Salome gesehen– als Endlösung zur Rettung unseres Planeten den Suizid vorschlägt.

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