Wie gemalt!
Mit CITTÀ DEL VATICANO präsentieren der Autor-Regisseur Falk Richter und der Choreograph Nir de Volff als Gastspiel am Maxim Gorki Theater ihre erste „Work-in-Progress“-Inszenierung. Im Vordergrund der Inszenierung stehen die Fragen: Wie beeinflussen Religion und Kirche unsere Art zu leben? Kann Gesellschaft und Beziehung unabhängig von den jahrhundertalten Werten des Vatikans existieren? Und wenn ja, wie sehen die Beziehungsmodell von 2016 aus?
Zusammen mit dem Choreographen Nir de Volff und einem jungen Ensemble, konfrontiert der Autor Falk Richter Europa mit den Fragen nach Zugehörigkeit, Identität und dem kulturellen Erbe. Dem Erbe des christlich-geprägten Abendlandes, welches besorgte Bürger, wie Pegida oder Afd zu retten versuchen. Was bedeutet es eigentlich für uns persönlich in einem Ort aufzuwachsen, in dem die christlichen Werte mehr bedeuten als der Mensch selbst? Gemeinsam im Workshop während der Biennale di Venezia haben die jungen Performer und Ensemblemitglieder des Schauspielhauses Wien, dies mit Richter und de Volff erkundet. Das Ergebnis ist die „Work-in-Progress“-Inszenierung CITTÀ DEL VATICANO.
Wie so oft in Richters Inszenierungen treffen Text und Tanz aufeinander und vermitteln über gesprochenes Wort und Choreographie Gefühle, Momente, Bilder und Stimmungen der Gegenwart. In CITTÀ DEL VATICANO prallen persönliche Schicksale, harte Worte, scharfsinnige Schlussfolgerungen und feinfühlige Bewegungen auf wohlklingende elektronische Musik. Obwohl der Webeslogen der katholischen Kirche, wie Nächstenliebe vielversprechend klingt, verbirgt sich dahinter doch eher eine Ödnis der Repression. Homosexuelle sind abnorm und sollten sich behandeln lassen. Pädophilie ist aber vollkommen legitim. Und Frauen haben überhaupt nichts zu sagen. Auch wenn Papst und sein Gefolge, wie die bestgekleidete Omi von nebenan aussehen.
„Du sollst nicht Du selbst sein! Du sollst NICHT Du selbst sein! … Du sollst weinen!“, wollen uns die christlichen Werte wohl eher sagen.
Foto: Matthias Heschl; Ensemble.
Das Ensemble verkörpert hervorragend mit gelungener Körperästhetik und Bewegungen die Identitätslosigkeit. Das verlorene-Sein in Europa, welches die Grenzen für Menschen immer weiter schließt.
„Frontex schützt meine Grenzen.“, [wenigstens darauf kann mensch sich in der Welt verlassen.]
Alles dicht macht! Für etwas, was wir gar nicht richtig fassen können. Was bedeutet denn EUROPA? Was heißt es „EUROPA“ zu sein? Um es mit dem Performance-Kollektiv andcompany&Co (= „Orpheus in der Oberwelt – eine Schlepperoper“) zu beantworten: Europa würde heute abgeschoben werden. Denn die Göttin kam übers Meer. – CITTÀ DEL VATICANO ist eine großartige Inszenierung mit und von einer jungen Generation, die die noch immer vorhandenen Sehnsuchtsbilder unserer Gesellschaft kritisch mit Wort, Tanz und Musik hinterfragt. Richter zeigt wieder einmal eine Regiearbeit, die wie gemalt erscheint.
„CITTÀ DEL VATICANO“ von Falk Richter, Nir de Volff| Mit: Telmo Branco, Gabriel da Costa, Johannes Frick, Steffen Link, Sophia Löffler, Tatjana Pessoa, Vassilissa Reznikoff und Christian Wagner.| Gastspiel am Maxim Gorki Theater: 16. und 17.06.2016. Karten unter: 030 – 20221-115 und http://www.gorki.de/spielplan/citta-del-vaticano/
]]>