HOUSE FOR SALE – Ein Haus geht auf Distanz!
Sie sind müde und möchten einfach nur nach Hause entspannen und schlafen, aber plötzlich rennt ihr Haus weg? Distanziert sich immer erneut von Ihnen, sodass Sie gar nicht mehr zu sich kommen können. Tja! – Willkommen im atemberaubenden Gastspiel HOUSE FOR SALE von Renè Pollesch im Ringlokschuppen am 2.10.2014.
Eigentlich fängt es schlicht an: eine rote PVC Ummantelung der Bühne, ein nettes weißes Häuschen in der Mitte des Bildes, links und rechts zwei weiße Gartenstühle, etwas Laub und einige Autoreifen zur Abtrennung des Bühnenraums vom Zuschauerraum. Doch plötzlich jagen drei Cowboy-Engel in weißen Gewändern das Haus und bringen es, wie im Western mit einer wilden Schießerei in ihren Besitz. Nächstes Bild: Eine Souffleuse schaut aus dem Fenster, eine älter Dame hat es sich auf der Terrasse gemütlich gemacht. Beide in Camouflage geben sie die Richtung an, oder werfen die passenden Schlagworte in den Raum. Die drei Engel oder die drei Cowboys – das Gender ist hier völlig irrelevant – beziehungsweise die drei Schwestern sind auf der Suche nach „Big Earl“ und fragen, die bislang noch nette Dame um Hilfe. „Immer da lang bis zum Stuhl“, heißt es. Sophie Rois macht sich frohen Mutes auf dem Weg, lässt sich einige Absurditäten gefallen, bis das obszöne Orakel sie als „Schwuchtel“ beschimpft.
In Renè Pollesch HOUSE FOR SALE geht es kunterbunt mit allerlei Zynismus zu; von lyrischen Klassikern, wie Einkaufslisten als Liebesbotschaften oder schicke Schuldscheine zum Geburtstag, Rodeo-Fahrten mit dem Haus oder Soldaten als abwechselnde Alternative hinüber zu Erkenntnissen, wie „Bücherschreiben ist auch keine Lösung“. Hat der Abend auch einiges an fundamentalen Erkenntnissen zu bieten, wie: „Gibt euch nicht für jemanden aus, der ihr nicht seid – es sei denn, ihr seid komplett scheiße.“ oder „Lebe jeden Tag als wärst Du das Letzte“. Philosophische Wahrheiten kurz und knapp auf dem Punkt gebracht! Genauso wie mein liebstes epistemologischen Highlights, dass Gewalt bei Nazis immer besser ankommt, als Konzerte gegen Rechts. Aber es kann natürlich auch sein, dass es noch nicht genug Konzerte gegen Rechts gegeben hat. Der philosophische Diskurs über Religion, Materialität, Beziehungen oder generell dem Leben verschafft sich Szene, in dem er die durchgeknallte Truppe auf der Terrasse vereint. Wer in >>Ich liebe Dich<< eine Botschaft herausliest, ist definitiv ein Psychopath. Aber auch die Tatsache, dass keiner sterben will und dies nicht aus Freude am Leben, sondern aus reiner Boshaftigkeit, war beim gemütlichen Plausch ohne Tee ein Thema. Weg von den drei Schwestern, dem obszönen Orakel und der im Spiel integrierten Souffleuse, die zwei Mal den Schauspielerinnen spielerisch unter die Arme gegriffen hat, hin zum erschossenen Haus „damit hab ich nichts zu tun (…) du mieses herzloses Schwein“; lassen die Darsteller*innen im vollsten Glanz erscheinen, vor allem die talentierte Schauspielerin Sophie Rois, die nicht nur durch ihre ausdrucksstarke Stimme positiv auffällt, sondern Pollesch komplexen Dialoge unfassbar authentisch, energiegeladen und mit trockenen Humor durchtränkt präsentiert. Generell sind Polleschs Dialoge so grandios und füllen den ganzen Raum mit intelligenten Humor, sodass es auf jeden Fall legitim wäre, Pollesch als Synonym für Grandiosität im Theater zu verwenden.
„Deine Haut ist so wundervoll — Ich weiß, sie ist am ganzen Körper so!“
Man kann es nicht anders ausdrücken, HOUSE FOR SALE ist einfach: Pollesch!
House for Sale| Volksbühne am Rosa-Luxenburger Platz| Mo. 17.11., Fr. 21.11., Mo. 15.12., Di. 23.12.| 19.30 Uhr| http://www.volksbuehne-berlin.de/praxis/house_for_sale/?id_datum=8056
Weitere interessante Veranstaltungen im Ringlokschuppen: http://www.ringlokschuppen.de/ringlokschuppen/spielplan/
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