Ein unvergesslicher Surrealismus im Düsseldorfer Schauspielhaus –
Sebastian Hoppe_Nach Franz Kafka_ Regie Andrej Mogutschi[/caption]
Der Prozess nach Franz Kafka vom Avantgarde-Regisseur Andrej Mogutschi aus St. Petersburg sorgt für einen unvergesslichen Abend voller Reizüberflutung mit einem Bühnenbild so surrealistisch und fesselnd, wie ein Bildnis vom Künstler Renè Magritte.
Ein adrett-gekleideter Volksavantgardechor – fast 70 Menschen in Anzug, Krawatte, Hut und weißen Handschuhen — besteigt das anfangs schlicht-schwarze Bühnenbild. Generell ist alles in den Kontrasten Schwarz und Weiß gehalten und suggeriert den Zuschauer ein seltsames und überschwängliches Gefühl von Tristesse. Nachdem der Chor etwas Undurchdringliches mit schiefen Tönen vor sich hingeträllert hat und einem gehörlosen Zuschauer vor Faszination der Atem stockt, weil die Szene ein umwerfendes Bild für das Auge ist, tritt der Protagonist Josef K. (Carl Alm), der Prokurist auf. Er leitet mit seinem Auftritt nicht nur die rote Farbe in das Stück ein, sondern wird direkt angeklagt. Gerichtshof. Ohne irgendein Vergehen begangen zu haben, muss sich Josef K. dem Richter verantworten. So schnell, wie die Anklage ausgesprochen wird, verwandelt sich das schlicht-schwarz gestaltete Bühnenbild in ein schief gelegenes Zimmer des Prokuristen Josef K., der nun von den Wächtern Franz und Willem verhaftet wird, aber dennoch seiner Arbeit nachgehen darf.
So surrealistisch, wie das Romanfragment „Der Process“ von Franz Kafka, ist das ganze Stück voller Traumbilder und Irrealität. Nicht nur Gesang und Schauspielkunst lassen einen hoffen, dass dies nicht der Realität entspricht, sondern die Einzigartigkeit des surrealistischen Bühnenbildes, welches eine schaudernd, düstere und zugleich eine faszinierende Optik zaubert, fesselt die Zuschauer. Dabei erinnert eine weiße Tür umgeben von flauschig weißen Wolken an ein Gemälde des Künstlers Renè Magritte.
Andrej Mogutschi und Maria Tregubova schaffen im Düsseldorfer Schauspielhaus ein wirklich einzigartiges Bühnenbild, welches noch nie zuvor in Düsseldorf auf solch einer Art und Weise präsent war. Von schiefen Zimmern, fliegenden Fahrrädern, rudernden Booten, bis zu sonderbaren Gebäuden mit verschiedenen Etagen können die Augen alles wahrnehmen. Fraglich erscheinen nur manche Requisiten oder Kostüme, wie: was hat es mit dem überdimensionalen Baby auf sich? Warum wird ein Piano, welches vieler kleiner Puppen enthält, auseinander genommen und was hat es in Gottesnamen mit den vielen Penes der Advokaten auf sich? Man kann nur spekulieren. Fern von den Fragen hinüber zur Reizüberflutung; so unglaublich faszinierend das Bühnenbild auch war, umso mehr gerieten schauspielerische Leistung und Storyline in den Hintergrund. Carl Alm in der Rolle des Josef K. kommt kaum überzeugend rüber und auch der freiwillige Volksavantgardechor aus Düsseldorf kann nur mit seiner Optik die Zuschauer mitreißen.
Dennoch ist Der Prozess ein wirklich sehenswertes Stück, welches aber leider nur mit seinen verschiedenen, grandiosen Bühnenbildern und der angewandten Technik glänzen kann. Es ist sehr bedauerlich, dass sich nicht etwas Genietum vom Bühnenbild in Richtung schauspielerische Leistung und Gesang verschoben hat.
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