Klaus und Erika – Ihre gescheiterte Kindheit konnte nur unter der Regie von Steffan Valdemar Holm gerettet werden

Rücken zu ihnen gekehrt und auch bei der Inszenierung ist er nur eine Stimme ohne Gesicht. Als Genie des Wortes vergöttern die Kinder den Zauberer und geben sich den Künsten hin, um sich ihrem Vater nah fühlen zu können. Es ist dunkel. Schon fast pechschwarz, wie die Nacht. Als im Düsseldorfer Schauspielhaus die beruhigende Stimme von Udo Samle ertönt und den fantasieerfüllten Zuschauer in eine Szenerie einer alten Stadt im Spätsommer zu einem Haus voller Stille hineinführt. Angekommen in einem antik-gestaltenden Flur mit einem Haupteingang zum Büro des Zauberers, wo neben den Türen links und rechts ein Stuhl steht, schleicht über dem braunen Holzfußboden ein mageres und in Weiß gekleidetes Kind. Klaus Mann (Marian Kindermann) ist aufgetreten und verkündet seinem Publikum das oberste Gebot des Hauses: „Hier muss man sehr leise sein, darf keinen Lärm machen, sonst stürzt noch alles ein.“ Die Stille dient seinem Vater zum Schaffen von Welten, wo Unaussprechliches gesagt werden kann. Mit sich trägt der achtjährige Klaus, ein blaues Heftlein mit einem selbst geschriebenen Märchen, welches er gerne seinem Vater dem Zauberer zeigen möchte. Doch leider ist Thomas Mann hinter seinen Bürotüren in irgendeiner fiktiven Welt seines Schreibens verschwunden und für Klaus nicht erreichbar. Dabei bewundert er seinen Vater mit der Fähigkeit des wundervollen Schreibens, vergöttert ihn schon fast und möchte seinem Vater gleich, Schriftsteller werden. Klaus (Marian Kindermann) über seinen Vater: „Ich liebe Vater. Zauberer nennen wir ihn, weil er die Worte so geschickt aneinanderfügt, genau wie es sein soll. Wer so mit Worten umgehen kann, den muss man einfach lieben.“ Seine Liebe zu seinem Vater findet keine Erfüllung. Thomas Mann ist distanziert, abwesend und Klaus kann seine Nähe nur in seiner Kunst spüren. Deutlich bemerkbar macht sich das psychische Resultat der Ablehnung seines Vaters bei Klaus (Marian Kindermann) in der Inszenierung, durch das „sich selber ins Gesicht schlagen“. Ist er zu laut und könnte den Vater stören, schlägt er sich ins Gesicht. Lügt er, schlägt er sich ins Gesicht. So versucht Klaus sich selbst zu spüren und begeht mit seiner Schreiberei Eskapismus. Die Distanzlosigkeit und die Unantastbarkeit des Vaters bekommt auch seine Schwester Erika (Elena Schmidt) zu spüren, beide teilen sich das Leid, indem sie ihre künstlerischen Impulse untereinander austauschen und im Verlauf der Inszenierung zu einer Person verschmelzen, was mittels selber Kostümierung umgesetzt wird, sodass Klaus und Erika als Zwillinge erscheinen. Auch die neunjährige Erika ist mit einem psychischen Leiden behaftet, aufgrund des Desinteresses ihrer Eltern, das sich vor allem in sexueller Orientierungslosigkeit, das Fehlen von fester Identität und posierter Gefühlsverleugnung ausdrückt. Gern wird sie vom Schaffner (Florian Jahr) als „Bürschchen“ bezeichnet oder würde wie ihre Mutter Mielein (Anna Kubin) mit Vater ins Theater gehen. Dabei gelingt es der Inszenierung Klaus und Erika unter der Regie Staffan Valdemar Holm den Konflikt zwischen Mutter und Tochter besonders gut hervorzuheben. Denn nicht nur Thomas Mann ist zu seinen Kindern abweisend, auch Mutter Mielein (Anna Kubin) zeigt ohne jegliche Leugnungsversuche eine eisige Kälte gegenüber ihrer Tochter Erika (Elena Schmidt). Mielein (Anna Kubin) mit einer Zigarette rauchend: „Nein ich kann dich nicht küssen, schau mich nur an, schau doch, ich huste …, du darfst nicht krank werden…, ich muss ausruhen, lass mich ausruhen, lass mich nur auf den Stuhl setzen.“ Nicht die Krankheit ist der Grund, sondern pures Desinteresse gegenüber ihrer Tochter Erika, die sich kriechend nach ihrer Mutter sehnt. Dem Schwedischen Dramatiker Lucas Svensson gelingt es leider nur am Rande in seinem geschriebenen Stück Klaus und Erika, den herrschenden Konflikt zwischen Thomas Mann und seinen Kindern Klaus und Erika gezielt zu thematisieren, weil neben diesem zentralen Konflikt, noch eine Palette an anderen theatralischen Konflikten passieren. Beispielsweise die Liebesbeziehung zwischen dem lebendigen Reclam-Heftchen Fischer Reclam (Florian Jahr) und der Haushälterin Effi (Stefanie Reinsperger), die melodramatisch in Betrug, Schwangerschaft, Suizidversuch und  schließlich im klassischen „Happy End“ endet. Weiter könnte man noch die Intrige von Fischer-Reclam, der Klaus Märchen dem Zauberer als eines von Fräulein Salomés Werken verkaufen will, nennen. Der Geist wird überlanden mit sinnfreien Konflikten, welche fern von der eigentlichen Thematik sind und den Anschein erwecken, dass der Dramatiker Lucas Svensson versucht die Gesamtheit der theaterkünstlerischen Motive unterzubringen. So geht bedauerlicherweise das zentrale Anliegen von Lucas Svensson flöten und der Zuschauer befindet sich völlig Konfliktüberflutet im Chaos. Verliert sich in den Konflikten und den Überblick vom gespielten Drama. Nur unter der Regie von Staffan Valdemar Holm hat das konfliktbeladene Stück, positiven Witz und ein Hauch von Kunst versprühen können, indem sein Ensemble nicht nur ein großes Talent an schauspielerischer Leistung aufweist, sondern in Gesang und Kostüm glänzen.]]>

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